History Scene Investigation

Auf der Spur von ungeschriebenen Geschichten

Vom Museum, das niemals war.

Heeresgeschichtliches Museum Wien

Foto Marliese Mendel

„Im heeresgeschichtlichen Museum lacht niemand“, obwohl die Geschichte des ‚Museums der Ersten und Zweiten Republik‘ von Karl Renner durchaus skurril anmutet“ sagte der Museumsführer Georg Ruetgen. Denn das Museum kam nie zu Stande, die bereits von Renner gesammelten Ausstellungsstücke reisten aber kreuz und quer durch Österreich, bis sie, Jahrzehnte später, schließlich im September 1998 als Dauerausstellung „Republik und Diktatur“ im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien landeten.“ Gleich im Raum hinter der schwach besuchten Kantine sind die wenig verbliebenen Objekte ausgestellt.

Renner, Figl und Dollfuß

Der Bundespräsident Karl Renner plante ein Museum zur Geschichte Österreichs schon seit 1918. Im November 1946 schickte er schließlich Bundeskanzler Figl einen Brief: er wolle das Museum in den Räumen über der Präsidentschaftskanzlei ansiedeln und die Zeit von der Gründung der Republik Deutsch-Österreich 1918 bis zum Entstehen der Zweiten Republik dokumentieren1. Er hatte eine ganz genaue Vorstellungen, was ausgestellt werden und welche historischen Ereignisse ausgespart bleiben sollten. Keinesfalls sollten Ereignisse wie Schattendorf und der Justizpalastbrand, der Bürgerkrieg, Dollfuß‘ Ermordung und der NS-Putschversuch thematisiert werden2.

Die Kuratoren halten sich nicht an die Vorgaben

Foto: Marliese Mendel

„Es war sowieso schwierig, nach dem Zweiten Weltkrieg ein Porträt von Dollfuß zu finden“, erklärt Georg Ruetgen, „die Nationalsozialisten haben versucht, ihn zu verbergen. Ein Porträt wurde letztlich bei einer Nichte von Dollfuß gefunden und kopiert.“ In der Vitrine steht heute, entgegen Renners Intention, das Sofa, auf das der schwer verletzte Dollfuß gelegt worden war. An der Sofalehne sind noch die Blutspritzer zu sehen. Daneben hängt ein Bild, dass den toten Dollfuß mit nacktem Oberkörper zeigt, am Sofa liegt eine reproduzierte Totenmaske.

Renner sucht einen Ausstellungsort und Exponate

Im November 1946 traf sich Figl mit den Ministern und man besprach das Projekt erstmals. Einer der anwesende Minister fürchtete, dass seinem Ressort Kanzleiflächen in der Hofburg für die Schaffung der Schauräume entzogen werden könnten. Der Vizekanzler Schärf schlug vor, das Museum durch eine Wohltätigkeitsmarke zu finanzieren4. Im November 1947 besprach man die „Herstellung neuer Kunstwerke“; man hatte entschieden, einen Wettbewerb auszuschreiben. Gemälde von der Ausrufung der ersten Republik, von der Sitzung des Nationalrates bei der Beschlussfassung des Friedensvertrages von St. Germain und von der Konstituierung der provisorischen Staatsregierung im Jahre 1945 sollten als großformatige Wandgemälde ausgeführt werden.

Die Bilder und Plastiken der Präsidenten und Bundeskanzler sowie markanter Persönlichkeiten sollten als Porträts normaler Größe angefertigt werden. Das Bundesdenkmalamt wurde beauftragt, „eine Suchaktion nach vorhandenen geeigneten Bildern und Plastiken zu starten, […] und von noch lebenden Künstlern noch einmal gemalt werden können.“ (Wie tote Künstler malen können ist mir schleierhaft). Es war auch geplant, eine große Karte Österreichs in Gobelin-Arbeit anfertigen zu lassen5. Man achtete darauf, ehemalige NS-Sympathisanten, auch sogenannte „Minderbelastete“, von der Ausschreibung fern zu halten. Die Porträts des Wettbewerbsgewinners Max Frey waren nicht zufriedenstellend und mussten nachgebessert werden6. Von den geplanten Gemälden sind nur wenige realisiert worden. Auf dem nun sehr einsam hängenden Gemälde von Frey sind die Wappen und Aufschriften entfernt worden, einige Gesichter schauen den Betrachter direkt an und die roten Flaggen sind immer noch dominant.

Die Bundesländer

Im November 1949 einigte man sich, dass jedes Bundesland auf eigene Kosten eine Vitrine füllen sollte. Das Burgenland wollte die „Ödenburger Abstimmung und die Landnahme ausstellen, Kärnten, Steiermark und Salzburg wollten sich u. a. auf den Fremdenverkehr konzentrieren. Die Tiroler bestanden auf die Aufarbeitung des Verlustes von Südtirol, dies wurde anfangs mit dem Verweis auf etwaige außenpolitische Schwierigkeiten abgelehnt7. In der momentanen Schau ist nichts davon zu sehen.

Nach Renners Tod

Im Juni 1950 wurden vom Bundesimmobiliendepot zwei Stillluster zur Verfügung gestellt8; das Museum wurde jedoch nie fertiggestellt. Karl Renner starb am 31.12.1950. Bundeskanzler Figl erklärte, dass die Arbeiten mit gleicher Intensität weiterzuführen wären. Man hatte vor, bis Anfang Juni 1951 einen Raum des Museums vollständig einzurichten. Doch es fehlten noch die Vitrinen und die Schaustücke, die Witwe des Wiener Altbürgermeisters Seitz versprochen hatte9. 1951, inzwischen war Theodor Körner Bundespräsident, konnte eine Liste der bereits fertiggestellten Ausstellungsstücke präsentiert werden.

Im Februar 1952 mussten die Kuratoren einen finanziellen Rückschlag in Kauf nehmen, anstatt der beantragten 60.000 waren nur 40.000 Schilling genehmigt worden. Erst zweieinhalb Jahre später, am 5. Dezember 1952, trafen sich die Herren wieder, diesmal hoffte man, das Museum im Jahr 1954 eröffnen zu können. Im April 1953 konnte berichtet werden, dass die Totenmaske von Dollfuß erworben worden war. Aber im November 1953 kam der Arbeitsausschuss das letzte mal zusammen, man besichtigte die Räume und die bereits vorhandenen Objekte10.

Nach Körners Tod

Als Theodor Körner im Jänner 1957 starb, verlor das Museumsprojekt seinen letzten potenten Förderer. Sein Nachfolger Adolf Schärf war von der Sammlung politischer Porträts nicht angetan11 und er hatte nicht ganz unrecht. Jetzt sind die verbliebenen Gemälde ausgestellt, aber auf kleinen goldenen Plaketten stehen nur die Basisinformationen. Auch im Informationsblatt zum Raum sind keine Hinweise auf ihre politische Ausrichtung oder Leistungen zu finden. Somit ist zwar Renners Intention fast alle politischen Strömungen auszustellen erfüllt, aber der Betrachter ist den opulenten Werken ohne Erklärung ausgeliefert.

Die lange Reise der Exponate

Als letztes Objekt wurde 1960 die Totenmaske der Dichterin und Schöpferin des Textes der Österreichischen Bundeshymne Paula von Preradovic mit der Inventarnummer 43 eingefügt12. 1969 wurden die Bestände des Museums an die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft übergeben. Die Museumsräume wurden belassen, den die Büros der Boltzmann-Gesellschaft lagen ebenfalls im 2. Stock des Leopoldinischen Traktes der Hofburg. Als die Boltzmann-Gesellschaft 1974 in das Mezzanin übersiedelte, hatten die Ausstellungsobjekte keinen Platz mehr. So wurden 31 Ölbilder, 3 Büsten und diverses anderes Material 1987 dem „Museum Österreichischer Kultur“ in Eisenstadt übergeben, dass aber schon sieben Jahre später schließen musste und wieder waren die Objekte heimatlos.

Foto: Marliese Mendel

Am 24. Januar 1995 wurden die Objekte in das Bundesdepot Siegendorf, einer ehemaligen Zuckerfabrik im Burgenland, eingelagert. Doch im April 1998 fuhren die LKWs des Österreichischen Bundesheeres mit den Beständen des Renner‘schen Museums von Siegendorf zum Heeresgeschichtlichen Museum in Wien. Bei der Sichtung der Inventarliste musste festgestellt werden, dass acht Objekte fehlten, darunter die Totenmasken von Karl Renner, Engelbert Dollfuß und Paula von Preradovic. Am 29. September 1998 eröffnete die Dauerstellung „Republik und Diktatur“, die Teile des Renner‘schen Republikenmuseums beinhaltet13.

Verwendete Quellen:

1Richard Hufschmied, „Ohne Unterschied auf Parteizugehörigkeit und sonstige Bestrittenheit oder Unbestrittenheit“ Die (un)endliche Geschichte von Karl Renners Museum der Ersten und Zweiten Republik (1946 – 1998) In: Dirk Rupnow; Heidemarie Uhl, Zeitgeschichte ausstellen in Österreich. Museen – Gedenkstätten – Ausstellungen. (Böhlau, Wien, 2011) S. 46

2Richard Hufschmied, S. 48

3Richard Hufschmied, S. 85

4Richard Hufschmied, S. 49

5Richard Hufschmied, S. 52 – 53

6Richard Hufschmied, S. 68

7Richard Hufschmied, S. 71 ff.

8Richard Hufschmied, S. 57

9Richard Hufschmied,  S. 58

10Richard Hufschmied,  S. 61 – 67

11Richard Hufschmied,  S. 66

12Richard Hufschmied,  S. 66

13Richard Hufschmied, S.78 ff.

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Dieser Eintrag wurde veröffentlicht am März 9, 2012 von in Chasing a story und getaggt mit , , , , .